
Mietenstopp statt Superblock
01. Juli 2025Am 1. Juli ist es soweit: ein paar Straßenzüge im Nürnberger Stadtteil Gostenhof werden zu sogenannten Superblocks. Das bedeutet, dass diese für Autos tabu werden. Zudem sollen diese Straßenzüge Orte der Begegnung werden. Was als nette Idee zur Verbesserung der Lebensqualität daherkommt ist bei genauerer Betrachtung das Gegenteil. Seit der Superblock in der Debatte ist, gibt es verschiedene Kritikpunkte: knapp 60 Parkplätze fallen weg. Das reduziert jedoch nicht die Anzahl der Autos. Diese werden in Zukunft einfach nur länger in Gostenhof rumkurven müssen, um einen Parkplatz zu ergattern. , damit steigt das Verkehrs- und parkaufkommen in den umliegenden Straßen der Verkehrsberuhigung auf Kosten der Bewohner:innen dort zusätzlich. Nach wie vor ist ein Großteil der Menschen unabhängig davon ob sie es wollen der nicht auf ein Auto angewiesen um beispielsweise zur Arbeit zu kommen oder aufgrund von Alter oder Behinderung. Während die öffentliche Verkehrsinfastruktur sowohl in Nürnberg als auch ins Umland teils sogar abgebaut wurde, soll nun der einzelne in moralistischer Manier verantwortlich gemacht werden für das verkehrspolitische und ökologische Versagen das durch individuelles Handeln gar nicht lösbar ist. Wirklich Abhilfe schaffen könnte ein radikaler Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel verbunden mit einem Nulltarif. Und anstatt die wohnortnahe Infrastruktur zu fördern, schaut die Stadt dabei zu, wie vom kleinen Laden bis hin zum Drogeriemarkt Müller alles mögliche in Gostenhof schließen muss, um Platz für gewinnbringendere Immobilienprojekte zu schaffen. Anstatt die Preise im öffentlichen Nahverkehr niedrig zu halten, kostet eine Einzelfahrt so viel wie in fast keiner anderen deutschen Stadt. Entschieden hat sich die Stadt Nürnberg letzten Endes für günstige Symbolpolitik anstatt für echte Verbesserungen für die Mehrheit der Menschen.
Gostenhof zwischen Fürtherstraße und Frankenschnellweg
Statt auf politischem Wege die Vorraussetzungen zu schaffen das Menschen auf Autos überhaupt verzichten könnten wenn sie wollten, fördert die Stadt und die bayrische Regierung den motorisierten Individualverkehr durch den abermillionschweren Ausbau des Frankenschnellwegs, dessen Verkehr während des Umbaus über die Fürtherstraße geleitet werden soll. Würde es der Stadt um Ökologie, Lärm oder Luftqualität in Gostenhof gehen, würde dieser Plan wohl nicht so im Raum stehen, dagegen ist die Verkehrsberuhigung der verkehrsärmsten Straßen Gostenhof ein schlechter Witz und bloße Heuchelei. Der fertiggestellte Frankenschnellwegausbau wird dauerhaft die Co2 und Feinstaubbelastung im Viertel erhöhen. Da hilft uns auch nicht das ein Teil der Volprechtstraße zur kürzesten Fußgängerzone Deutschlands gemacht wird.
Wir haben das nie entschieden!
Dem aktuellen Trend, Bürger:innen in pseudo-Verfahren zu beteiligen, wurde auch in diesem Fall nachgegangen. Ein dreitägiges Probeevent in genau dem Teil der Volprechtstraße, der jetzt nicht Teil des Projektes ist, sollte die Anwohner:innen in Stimmung bringen. Tatsächlich gab es aber neben vielen kritischen Stimmen auch offenen Protest. Denn viele Nachbar:innen ließen sich nicht von traumhaften Superblock Geschichten aus Barcelona hinters Licht führen. Man kann recht leicht herausfinden, dass in allen Superblocks der spanischen Großstadt eine massive Gentrifizierung statt gefunden hat und Alteingesessene verdrängt wurden. Es gäbe also für die meisten Menschen in unserem Stadtteil wohl keinen Grund, sich für einen Superblock auszusprechen, wenn sie am Schluss nur ein bisschen schöner-wohnen für Reichere den Boden bereiten dürfen. Nur um im Zweifelsfall selbst verdrängt zu werden und sich ein Auto nach Umzug an den Stadtrand oder ins Umland anzuschaffen um den Arbeitsweg bewältigen zu können. Im weiteren Verfahren wurden die Sorgen der Anwohner:innen vor Mietsteigerung kein bisschen ernst genommen. Ein immer wieder geforderter Mietenstopp findet sich nicht in den Projektplänen nicht.
Die eigene Verdrängung selbst gestalten
Die Stadt Nürnberg schafft es aber noch eins drauf zu setzen: Anwohner:innen wurden wohl angesprochen, ob sie nicht für Außensitzplätze und Spielzeug sorgen könnten weil die Stadt Nürnberg nur vereinzelt Geld für die Gestaltung der Superblocks zur Verfügung stellt. Wenn man schon den Vergleich mit Barcelona haben will: hier wurden Bereiche mit öffentlichen Picknick-Tischen ebenso geschaffen wie Begegnungsorte und groß angelegte Bepflanzung. Es wurde für Aufwertung und Verdrängung Geld in die Hand genommen. Zudem wurden hier nicht nur einzelne Nebenstraßen sondern auch wirklich ganze Blöcke sogar mit zentralen Hauptstraßen vergleichbar mit der Fürther Straße gesperrt. Der Vergleich der beiden Projekte hinkt daher deutlich. Wenn die Stadt jetzt einfach Straßen sperrt, Parkplätze streicht, ein paar Schilder aufstellt und vielleicht noch ein Hochbeet hinstellt, dann hat das nichts mit dem Projekt der Stadt Barcelona zu tun, wird aber trotzdem zu steigenden Mieten und Verdrängung führen. Denn das Geld wird dann doch lieber in den Frankenschnellweg oder irgendwelche Prestigeprojekte gesteckt.
Warum dann eigentlich der ganze Mist?
Zu Recht kann man sich jetzt die Frage stellen, warum dann die Parteien von Grüne bis CSU solche Projekte trotzdem realisieren. Wie auf die allermeisten Fragen im Kapitalismus, ist die Antwort auch hier: Konkurrenz. Auch zwischen den Städten und Kommunen gibt es eine Konkurrenz darum, wer mehr Investor:innen, mehr kreatives frisches Kapital gewinnen kann. Denn diese füllen die klammen kommunalen Kassen. Mit dem Ertrag daraus wird aber nicht unser aller Leben in der Stadt schöner gemacht, sondern es wird wieder investiert, um mehr Kapital anzuziehen etc. Und es gibt verschiedene Wege, dieses Kapital in seine Stadt zu locken. Ihnen freie Hand in der Stadtplanung zu geben – wie aktuell am Kohlenhof-Areal ist eine davon. Eine andere ist die Beteiligung an innovativen Projekten. Und da in über 60 Städten gerade Superblocks am Entstehen sind, will sich Nürnberg nicht lumpen lassen und dem Trend zumindest auf dem Papier folgen. Macht sich ja vielleicht auch gut in der nächsten Kulturhauptstadtbewerbung…
Da wir als Bewohner:innen dieses Stadtteils in absoluter Mehrheit kein Kapital besitzen, sondern abhängig von unserem Lohn sind als Arbeiter:innen, sind wir nicht das Zielpublikum dieser Politik, sondern wir müssen sie mit höheren Mieten und Verdrängung bezahlen.
Für uns ist klar: Der Superblock ist keine Option! Wir brauchen als Bewohner:innen so oder so schon einen sofortigen Mietenstopp! Mit dem Experiment Superblock brauchen wir ihn noch dringender. Wir brauchen zudem einen kostenlosen und gut ausgebauten Nahverkehr, ausreichend Plätze an KiTas und Schulen – natürlich wohnortnah, wir brauchen die Sparkasse und die Leihbibliothek deren Schließungen geplant sind, allgemein eine gute Nahversorgung, wir brauchen Orte des Zusammenkommens ohne dabei ständig von der Polizei gegängelt zu werden. Das alles wäre zumindest ein Anfang für eine lebenswertere Stadt.
Aber wer soll denn das bezahlen?
Diese Floskel hat spätestens seit der Zusage nahezu unbegrenzter Kriegskredite und Steuergeschenke an Konzerne wirklich jede Bedeutung verloren. Uns wird gerade gezeigt, dass Geld da ist – für Rüstung, für Waffenlieferungen, für Konzerninteressen – aber eben nicht für unsere Bedürfnisse als lohnabhängige Klasse. Wir sollen zuschauen, wie unsere Viertel für Reiche schöner gemacht werden und dann den Koffer packen. Wir sollen den Gürtel enger schnallen, weil Konzerne öffentlich rumheulen, dass ihre Gewinne schon beträchtlich sind, aber eben immer noch viel zu wenig in der imperialistischen Konkurrenz. Wir sollen mehr arbeiten, weniger Reallohn dafür bekommen und immer mehr Geld für Lebensmittel, Miete und Energie ausgeben, damit sich andere dank unserer Arbeit noch schön ihre Dividenden ausschütten können. Das ist es, was den Kapitalismus an jeder Ecke ausmacht. Für den Reichtum einiger weniger, leiden Milliarden. Und daher verwehren wir uns im Großen wie auch im Kleinen dieser Logik. Und wir verweigern uns noch mehr, bei unserer eigenen Verdrängung auch noch aktiv mitzumachen! Auf lange Sicht hilft nur eins: Die Vergesellschaftung und Demokratisierung allen Wohnraums!
Wir fordern einen sofortigen Mietenstopp
Wir fordern eine angemessene Nahversorgung in Gostenhof – Schluss mit Schließung von Postfiliale, Stadtteilbibliothek und Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf
Wir fordern einen Ausbau des ÖPNV auch ins Nürnberger Umland statt niedriger Taktung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Abbau von Infrastruktur
Wir fordern einen ÖPNV zum Nulltarif
Wir fordern das Ende von Gängelungen durch Polizei, Ordnungsamt, Sicherheitswacht und privaten Securitys im öffentlichen Raum unseres Viertels – Für mehr Lebensqualität