Leitlinie: Hegemonie

Leitlinie: Hegemonie

Kapitalistische Herrschaft basiert nicht alleine auf Zwang und Gewalt, sondern auch auf der (aktiven) Zustimmung der Menschen zu den Verhältnissen.
Dieser Konsens zur eigenen Ausbeutung wird dabei durch die ideologische, politische und kulturelle Vermittlung kapitalistischer Werte mittels eines Geflechts von Institutionen, sowie Mechanismen hergestellt und bewirkt damit, dass die Interessen der Herrschenden als Allgemeininteressen durchgesetzt werden. Diese Art der Herrschaft nennen wir Hegemonie.
Diese Hegemonie ist das erste Bollwerk der Herrschenden, das es zu brechen gilt, ist also unser erster Ansatzpunkt, wenn wir die kapitalistische Ordnung überwinden wollen.

Die Hegemonie der herrschenden Klasse

… das heißt ihre Ideen, ihre Kultur, ihre Vorgaben und Regeln, kurzum die gesamte bürgerliche Denkweise ist fest in den Köpfen verankert. Die Hegemonie der Herrschenden ist allgegenwärtig und wirkt auf verschiedenen Ebenen: auf der ideologischen, auf der politischen und auf der kulturellen Ebene. Dabei wird Hegemonie hergestellt und aufrechterhalten bspw. durch Kindergärten, Bildungseinrichtungen, die bürgerlichen Medien, durch das Internet mit seinen sozialen Netzwerken, bürgerliche Berichterstattung und Unterhaltung, durch Filme, Computerspiele und vieles mehr. Last but not least basiert diese in der BRD auf der relativ gesicherten ökonomischen Absicherung vieler Angehöriger unserer Klasse.

Diese Hegemonie des Kapitals macht es sogar möglich, dass die Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse vielfach nicht nur auf der Zustimmung der Betroffenen fußt. Nein, sie greift so umfassend, dass sie aus Teilen der Ausgebeuteten und Unterdrückten auch Apologet*innen/glühende Verfechter*innen des Kapitals, der eigenen Ausbeutung und Unterdrückung, also der herrschenden Ordnung macht.

Die Folgen

Diese vermittelte Zustimmung zu den Verhältnissen und der damit verbundene Konsens sichert dabei nicht nur die herrschenden Verhältnisse, sondern führt auch zu einer Entmündigung von uns als handelnden Subjekten zu Objekten und macht uns letztlich zu Zahnrädchen des Systems. Das bedeutet zu Arbeiter*innen, die ihre Arbeitskraft einbringen müssen, jedoch von allen Möglichkeiten ausgeschlossen sind, darüber mitzubestimmen was, wie und warum produziert wird. Außerhalb der Lohnarbeit sollen wir in zunehmenden Maß auf die Rolle als Konsument*innen reduziert werden, die für die Realisierung des kapitalistischen Mehrwerts zuständig sind. Auch in diesem Bereich, in den durchkapitalisierten Innenstädten, den Stadtteilen etc. sind wir aller Möglichkeiten der Gestaltung beraubt.

Der tatsächliche Einfluss der Arbeiter*innenklasse aufgrund ihrer zentralen Rolle im Produktionsprozess wird dadurch verschleiert, negiert und im kollektiven Bewusstsein der Arbeiter*innen verfälscht.

Denn das Zusammenspiel der hergestellten Hegemonie der Herrschenden in allen Facetten und der objektiven Klassenlage der Menschen führt zu einem zwiespältigen Bewusstsein der Menschen. Einerseits zu der Erkenntnis, ausgebeutet zu werden und andererseits dazu, den Eindruck zu haben, teilweise davon profitieren zu können.

Ersteres kann in den Köpfen der Menschen zu Einfallstoren führen, die Möglichkeiten für das Aufbrechen der Hegemonie auf allen Ebenen bieten.

Allerdings nur gesetzt den Fall, dass wir als revolutionäre Bewegung es schaffen, beispielsweise das Bewusstsein der Arbeiter*innen weg von dem individuellen Streben nach Aufstieg, hin zu einem kollektiven Klassenbewusstsein bzw. einer kollektiven Klassensolidarität zu bringen.

Diese dadurch entstehenden Einfallstore gilt es zu nutzen.

Unser Ziel

Diesen Konsens, die ideologische Hegemonie des Kapitals aufzubrechen ist hier und heute eine unserer wichtigsten Aufgaben. Unsere Aufgabe als revolutionäre Linke, als bewusst kämpfender Teil der zur Lohnarbeit gezwungenen Klasse, muss es sein in kontinuierlichen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen die Köpfe und Herzen für eine revolutionäre Perspektive zu gewinnen – und das auf ideologischer, politischer wie auch kultureller Ebene.

Deshalb ist es notwendig, den Kampf um die Köpfe der Mehrheit zu führen und den Aufbau einer Gegenmacht in Stadtteilen, Betrieben, Bildungseinrichtungen und allen anderen Bereichen der Gesellschaft voranzutreiben. Dieser Kampf ist nicht kurzfristig zu gewinnen, sondern ist eine kontinuierliche Auseinandersetzung um die Köpfe und Herzen der Menschen, der sich im dauerhaften Widerstreit mit den Herrschenden behaupten muss. Dieser als Stellungskrieg (im Gegensatz zum Bewegungskrieg) bezeichnete Kampf ist dabei langfristig angelegt, um Stück für Stück sich auszubreiten und Raum für sich zu vereinnahmen. Dieser Kampf ist kein linearer aufstrebender Prozess, sondern voll von Sprüngen, Rückschlägen, Niederlagen etc., die uns manchmal ein Stück nach vorne, aber auch nach hinten werfen können. Was im Umkehrschluss nichts anderes bedeutet, als dass wir einen langen Atem benötigen, um eine befreite Gesellschaft zu erkämpfen.

Dies wird nur durch eine soziale Revolution möglich sein, für die wir kämpfen. Soziale Revolutionen, konkret als Umsturz aller ökonomischen und politischen Machtverhältnisse begriffen, können ausbrechen, wenn eine Krise eintritt, die alle Bereiche der Gesellschaft erfasst. Über ihren Verlauf, über Sieg, Niederlage und langfristige Durchsetzungskraft, entscheidet zu einem guten Teil der Organisations- und Bewusstseinsstand, der bis dahin in den Klassenkämpfen entwickelt wurde.

Dies kann nur erreicht werden durch das Vorantreiben, Ausweiten und Zuspitzen des Klassenkampfes, der aus der zwangsläufigen Unzufriedenheit der bestehenden Klassengesellschaft immer wieder hervorgeht. Außerdem durch den organisierten Kampf der gesellschaftlichen Mehrheit für ihre Interessen und durch die materielle gesellschaftliche Gewalt und Macht, die unsere Klasse organisiert darstellen kann und eines Tages auch darstellen wird. Dies geschieht jedoch nur, wenn sie sich ihrer Stellung und Möglichkeiten bewusst ist.

Dafür müssen (und wollen) wir die eigene Seite aufbauen, die Standpunkte der revolutionären Linken in inhaltlicher, strategischer und organisatorischer Hinsicht weiterentwickeln, den Klassenkampf in allen gesellschaftlichen Bereichen vorantreiben und so die ideologische Hegemonie der Herrschenden aufbrechen.

Unsere Aufgabe

Es muss uns bewusst sein, dass die Hegemonie der Herrschenden auch dazu führt, dass wir in unserem Kampf für eine solidarische Gesellschaft auch damit konfrontiert sind, dass wir nicht mit offenen Armen empfangen werden. Stattdessen sind diejenigen, die objektiv unsere Interessen teilen müssten, teilweise Verfechter*innen des Kapitalismus.

Unsere Aktivitäten im Rahmen von Kampagnen und die Basisarbeit in unseren Stadtteilen (aber auch in Betrieben, Bildungseinrichtungen, und überall dort wo wir eine Praxis haben) zielen deshalb auch darauf ab, die Hegemonie der herrschenden Klasse aufzubrechen und selbst wirkmächtig zu werden, u.a. indem wir

  • Klassenbewusstsein herstellen – d.h. ein Bewusstsein über die eigene Lage der Lohnarbeiter*innen in dieser Gesellschaft und dadurch auch ein Bewusstsein über die eigenen Interessen schaffen,
  • Kämpfe um diese eigenen Interessen, genauer die schwach entwickelten Klassenkämpfe in Stadtteilen, Betrieben etc. vorantreiben oder auslösen,

und wir damit wieder vom Objekt zum gestaltenden Subjekt werden.

Dabei spielen auch die unmittelbaren Erfahrungen eine Rolle. Aktivist*innen sollen in unserer Praxis durch Kampagnen oder gesellschaftliche Kämpfe Erfahrungen in den praktischen Auseinandersetzungen sammeln. Sie sollen sich in diesen weiterentwickeln, aus- bzw. weitergebildet werden und ihr Wissen sowie ihre Erkenntnisse wiederum an andere weitergeben. Kurz: Sie sollen im Klassenkampf für unsere Sache gewonnen werden. So durchbrechen wir nicht nur den hergestellten Konsens der Herrschenden durch die Praxis, sondern gewährleisten auch die Reproduktion unserer eigenen Erfahrungen und etablieren auf lange Sicht sowohl eine politische, als auch kulturelle Wirkmächtigkeit.

Unser konkreter Ansatzpunkt sind dabei die Themenfelder und die Orte (insbesondere der Stadtteil) an denen wir bereits agieren, um uns davon Schritt für Schritt ausbreiten zu können, um perspektivisch der herrschenden Hegemonie unsere Gegenmacht entgegenstellen zu können.

Und wie gehen wir dabei vor?

Es macht keinen Sinn unsere Ziele zu verheimlichen, sie hinter alles und nichts sagenden Floskeln zu verbergen, sie bis zur Unkenntlichkeit zu verklausulieren. Nein, wir müssen es laut und deutlich aussprechen, dass wir für ein Ende der kapitalistischen Wirtschaftsweise, ein Ende patriarchaler und rassistischer Strukturen, kurzum für eine soziale Revolution und eine freie kommunistische Ordnung kämpfen. Es geht darum, in zäher und kontinuierlicher Auseinandersetzung inhaltlich wie praktisch immer wieder und auf allen Ebenen die Konfrontation zu suchen, den Klassenkampf gegen die herrschende Ordnung, wider alle Regeln und Vorgaben zu führen.

Ob auf der Straße, im Stadtteil, den Büros, Schulen und Fabriken, der Weg ist immer die Autonomie der lohnabhängigen Klasse gegen alle Vorgaben zu entwickeln. Ökonomie, Kultur, Soziales, Politik, in allen Bereichen geht es darum, das alltägliche Massenbewusstsein (den „Alltagsverstand“) zu verändern. Wo sich Widersprüche auftun, müssen wir diese aufgreifen. Die Unzufriedenheit und daraus resultierenden Kämpfe, gilt es inhaltlich wie praktisch über den von der herrschenden Klasse vorgegebenen Rahmen hinauszutreiben und revolutionäre Inhalte im Alltagsverstand zu verankern.

Aus diesen zäh, alltäglich und autonom geführten Klassenkämpfen entwickelt sich das Bewusstsein, entsteht die revolutionäre Hegemonie, die die Hegemonie des Kapitals ablöst. Es erwächst die organisierte Gegenmacht, die eines Tages in der Lage sein wird, die Macht der Zwangsapparate endgültig zu brechen und dem Kapitalismus ein Ende zu bereiten.