
Hannas Prozess im Budapest Komplex vor dem Oberlandesgericht in München – Ein Zwischenstand (13.06.2025)
01. Juli 2025Nach über einem Jahr in U-Haft und über 20 Prozesstagen vor dem Oberlandesgericht München wollen wir einen kleinen Überblick über den Stand und die Absurditäten im laufenden Prozess um Hanna im Rahmen des Budapestkomplexverfahrens geben.
Nach über einem Jahr in U-Haft und über 20 Prozesstagen vor dem Oberlandesgericht München wollen wir einen kleinen Überblick über den Stand und die Absurditäten im laufenden Prozess um Hanna im Rahmen des Budapestkomplexverfahrens geben.
Politisches Urteil schon vor Prozessbeginn
Am 06.05.2024 wurde Hanna in ihrer Wohnung in Nürnberg von der Polizei, unter Beteiligung des Landeskriminalamtes (LKA) Sachsen, festgenommen und in U-Haft gebracht, da sie sich angeblich an Angriffen gegen Faschist:innen in Ungarn am sog. „Tag der Ehre“ beteiligt und sich damit der Mitgliedschaft in einer „kriminellen Vereinigung“ schuldig gemacht habe. Die Begründung für die U – Haft seitens des Gerichts lautete, es bestehe Fluchtgefahr, da andere Beschuldigte des Budapestkomplexes untergetaucht seien. Aus Hannas Verhalten selbst wird keine Fluchtgefahr abgeleitet, sondern ausschließlich über das Verhalten Dritter. Sie selbst hätte im Vorfeld der Inhaftierung durchaus die Möglichkeit gehabt, sich einer Festnahme zu entziehen, wenn sie das gewollt hätte – also eben eine Chance zur Flucht bewusst nicht genutzt. Die Zuständigkeit der Generalbundesanwaltschaft (GBA) in einem verhältnismäßig banalen Verfahren, in dem es um Körperverletzungsdelikte geht, begründete die GBA damit, dass Angriffe auf unter anderem deutsche Faschist:innen im Rahmen eines SS und Wehrmachtsgedenkens sich negativ auf das Ansehen der BRD auswirken würden. Nicht etwa die Teilnahme deutscher Nazis schadet offenkundig diesem „Ansehen“, sondern antifaschistische Interventionen gegen solche Nazis. Die Entscheidung der GBA resultierte also – wie sie selbst zugab – aus einer außenpolitischen Erwägung und ist somit politisch motiviert. Ein ebenso offenkundig politischer Akt erfolgte in der Anklageschrift gegen Hanna, in der ihr vorgeworfen wurde, einen versuchten Mord begangen zu haben. In einer Pressemitteilung der GBA erklärt diese, sie gehe selbst nicht davon aus, dass es zu einer Verurteilung in diesem Sinne kommen wird. Ausschlaggebend für die Entscheidung einen derart abwegigen Vorwurf zu formulieren, dürfte dabei wenig mit Hanna selbst zu tun gehabt haben, sondern eher mit dem Vorwurf ein Zeichen an die zu diesem Zeitpunkt noch untergetauchten Antifaschist:innen zu geben, dass, egal wie lange sie sich dem deutschen Staat entziehen, keine Verjährung erwarten dürfen. Wenig überraschend ließ das Oberlandesgericht München die Anklage entsprechend dem Vorwurf des versuchten Mordes dennoch zu. Somit begann am 19.02.2025 der auf 32 Tage bis vorerst zum 15.09.2025 terminierte Prozess in einem auf dem Gelände der JVA Stadelheim liegenden Hochsicherheitsgerichtsaal der extra für Terrorismusverfahren angelegt wurde. Die Wahl des Gerichtsaals diente wohl mitunter dem Gericht, Hannas vermeintliche Gefährlichkeit zu inszenieren.
Der Prozess
Seit Beginn des Verfahrens wurden etliche Stunden Videomaterial gezeigt, etliche Zeug:innen – in der Hauptsache Faschist:innen und Polizist:innen gehört und diverse Gutachter:innen bestellt, ohne das bisher trotz allem Belastungseifer der Beteiligten auch nur ein tragfähiger Beweis oder ein Indiz erbracht worden wäre, dass Hanna sich zum Zeitpunkt der Tat überhaupt in Budapest befand, geschweige denn sich an einem Angriff beteiligt hätte. Die Zeug:innen der Polizei weigern sich in weiten Teilen auszusagen, wie sie zu ihren kaum vorhandenen „Ermittlungsergebnissen“ kommen, die wie sie selbst erklären ohnehin Hannas Anwesenheit in Budapest nicht zweifelsfrei belegen. So beruht der Verdacht seitens des LKA Sachsens, bei eine der beteiligten Personen könnte es sich um Hanna handeln, auch auf der Vermutung einer für sie arbeitenden „Superrecognizerin“ (eine Person, die angeblich Menschen besonders gut wiedererkennen könne). Diese sagte vor Gericht aus, ihre Vermutung beruhe nach Sichtung von Bildmaterial „eher auf ein[em] Gefühl“, man müsse sich vorstellen „es macht Klick im Kopf“ und es sei „nichts wissenschaftliches“. Dass diese Methode nicht nur eine Peinlichkeit für jeden logisch denkenden Menschen darstellt, sondern auch kaum ernsthaft Beweiskraft haben kann, scheint sich selbst das Gericht bewusst zu sein. Das Gericht versuchte allerdings mit einer nicht minder pseudowissenschaftlichen Methode ihrem Belastungseifer nachzukommen. Es verfügte eine Körpervermessung Hannas, um diese mit drei Einzelbildern einer vermummten Person aus Budapest zu vergleichen und daraus abzuleiten sie seien identisch. So wurde Hanna unter Zwang auf dem Weg zu einem anderen Termin durch Justizbeamt:innen plötzlich in ein Zimmer verbracht, ausgezogen, fixiert und ihr Körper vermessen. Beauftragt für dieses wissenschaftlich fragwürdige Verfahren, war ein Team von Student:innen rund um Gutachter Professor Dirk Labudde von der Hochschule Mittweida. Dieser wurde bereits in einer Handvoll Gerichtsverfahren als polizeinaher Gutachter geladen, wenn bei der Identifikation von Beschuldigten sonst gar nichts mehr ging, um diese zu belasten. Seine „Forschung“ ist im übrigen nicht unwesentlich von verschiedenen Polizeihochschulen und der Zusammenarbeit mit Innenministerien abhängig. Selbst dieser konnte allerdings außer Begeisterung für sein Körpervermessungshobby vor Gericht zur Frage nichts beitragen, ob Hanna mit Sicherheit zu identifizieren sei. Derart leichtfertig wurde also eine höchst widerwärtige Gewaltmaßnahme, ausgeführt von einem interessensgeleiteten Pseudowissenschaftler, durch das Gericht angeordnet, um ihren verzweifelten Verurteilungswillen durchzusetzen, nur um daran letztlich auch noch zu scheitern. Die bisher im Verfahren eingebrachten Verletzungen, welche die angegriffenen Faschist:innen erlitten, waren medizinisch betrachtet in keinem einzigen Fall lebensbedrohlich. Dies widerspricht damit wie zu erwarten der noch nicht einmal von der GBA ernsthaft formulierten Tötungsabsicht der Angreifer:innen.
Der Rahmen
Dies ist nur eine kurze und unvollständige Zusammenfassung der bisherigen Verhandlung von Hannas Fall vor Gericht, in der nicht alle Abgründe dieses politischen Verfahrens Platz finden können. Ein paar weitere Fragwürdigkeiten der politischen Justiz seien dennoch kurz beleuchtet. So versuchte der Geheimdienst „Verfassungsschutz“ an die kopierten Ausweise aller Prozessbeobachter:innen zu kommen, ob mit Erfolg ist nicht bekannt. Alleine der Versuch ist jedoch geeignet, eine Prozess- und Medienöffentlichkeit unter Druck zu setzen und Fernzuhalten. Des weiteren waren an zwei Prozesstagen die Mikrophone des Saals nicht in Betrieb, so dass die Prozessöffentlichkeit faktisch akustisch ausgeschlossen war. Auch wurde während des Verfahrens durch das OLG nun zwei der nachweislichen Neonazis als Nebenkläger:innen zugelassen, die sich von einer bekannten rechten Szene Anwältin vertreten lassen, die bereits den verurteilten Naziterroristen Ralf Wohlleben im NSU Prozess vertrat. Dabei bleibt ungeachtet, dass es im bisherigen Verfahren keinen Schluss darauf gibt, dass Hanna an einem Angriff auf die Nebenkläger:innen beteiligt gewesen wäre.
Das fünfköpfige Richter:innenteam unter dem Vorsitzenden Richter Stoll mag sich zwar im Prozess betont neutral geben, kann aber doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine derartige politische Justiz-Farce überhaupt erst durch Zulassung der Anklage ihrerseits und der Verhängung und Aufrechterhaltung der U-Haft Zustande kam. Sie tragen damit wesentlich Verantwortung für das an Hanna begangene Unrecht. Im übrigen halten wir trotz all der Offenkundigkeit des politischen Charakters des Prozesses oder gerade deswegen eine Verurteilung Hannas nicht für unwahrscheinlich. So kann es gut sein, dass das Gericht im Fall Hannas Schuld spricht – doch in jedem Fall kein Recht. Alles in allem schadet dieser politische Prozess der Vorstellung einer ansatzweisen demokratischen Gesellschaft in seiner politischen Dimension weit mehr als so mancher Faschist auf der Straße. Wenn das Gericht diesen Schaden abwenden wollte, müsste es die U-Haft aufheben und das Verfahren unverzüglich einstellen. Doch darüber wird wohl kaum das Gericht, trotz der Beteuerung der richterlichen Unabhängigkeit, sondern eher das Justizministerium politisch zu entscheiden haben. Daher gilt es Druck auf die politischen Verantwortlichen für die Ermittlungen und das Verfahren zu machen: dem sächsischen Innenminister Schuster (CDU), dem bairischen Innenminister Hermann (CSU), dem bairischen Justizminister Eisenreich (CSU), dem Bundesinnenminister Dobrindt (CSU), der Bundesministerin für Justiz Hubig (SPD). Ganz besonders möge die SPD sich daran erinnern, dass sich auch ihre Mitglieder und Abgeordneten zunehmend rechter und faschistischer Angriffe auf der Straße ausgesetzt sehen und es jene antifaschistische Bewegung ist, die sie selbst permanent kriminalisiert, die ihnen als Schutz im wesentlichen bleibt. Entgegen der Lüge, es gäbe keine politischen Gefangenen in der BRD, erachten wir Hanna im übrigen als genau das – eine politische Gefangene. Möge sich die Regierung der BRD in ihrer außenpolitischen Beurteilung der „Rechtsstaatlichkeit“ anderer Länder besser ein wenig zurückhalten.
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Free all Antifas!