Die Winter werden kälter – Sozialberatung Reclaim Gostenhof über Sozialabbau und Solidarität

Die Winter werden kälter – Sozialberatung Reclaim Gostenhof über Sozialabbau und Solidarität

05. Dezember 2025 Aus Von oa

Behörden, die nicht ans Telefon gehen, unzureichende und fehlende Beratungen, Verweigerungen von Eingangsbestätigungen und das Leugnen des Eingangs der Anträge.

Während die Inflation unsere Kühlschränke leert und die Heizung im Winter kalt bleibt, weil die Miete zu hoch ist und die Heizkosten sich in den letzten Jahren nahezu verdoppelt haben, werden jede Woche neue Sparmaßnahmen im Sozialsystem verkündet. Der Alltag von Hilfesuchenden in unserer Sozialberatung ist Ausdruck eines Systems, das die Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, systematisch in Angst und Abhängigkeit bringt. Die Menschen werden so Stück für Stück durch das „Hilfesystem“ in eine existenzielle Notlage gedrängt und gezwungen jede Arbeit, die der ausgebaute Billiglohnsektor bietet, anzunehmen.

Milliarden werden in Rüstung und Prestigeprojekte investiert, während wir, die außer ihrer Arbeitskraft kein nennenswertes Kapital besitzen, sich warm anziehen müssen. Vor uns liegt ein kalter Winter. Familienleistungen wurden in Bayern gestrichen, das Elterngeld nie an die Inflation angepasst. Anstatt die Probleme der Familien ernsthaft zu lösen, wird vorgeschlagen, Mütter nach einem Jahr wieder in die Lohnarbeit oder Maßnahmen zu zwingen – ungeachtet der Tatsache, dass fehlendes Krippengeld und fehlende Kitaplätze die Wiederaufnahme der Arbeit für viele schlicht unmöglich machen. Damit wird das Recht auf Elternzeit faktisch ausgehebelt.

Und auch die Notwendigkeit von Präventionsleistungen wie Mutter-/Vater-Kind-Kuren, werden durch die von der Regierung eingesetzten Kommission im Winter geprüft. So könnten Eltern die meist einzige Chance verlieren, frühzeitig bei Überlastung zu intervenieren, um einen dauerhaften Krankenstand zu verhindern.

Während für den Krieg aufgerüstet wird, rüsten sich die Behörden auch für den Krieg gegen die Arbeiter*innenklasse. Lohnarbeiter*innen werden immer erpressbarer. In Zukunft soll beim Eintritt in die Arbeitslosigkeit, ungeachtet der Gründe hierfür, die tatsächliche Miete keine Rolle mehr spielen, ein weiterer Rückbau der wenigen Veränderungen bei der Reform von Hartz IV.

Die Vermögensfreibeträge sollen abgesenkt und die Vermögenskarenzzeit abgeschafft werden.

Während Bescheide immer wieder dem/der Leistungsnehmer*in nicht zugehen, sollen 30 % Kürzungen bereits beim zweiten versäumten Termin und beim dritten eine Kürzung von 100 % der Leistungen eingesetzt werden. Das bedeutet konkret: Keine Regelleistung, keine Miete, keine Krankenversicherung. Auch eine rückwirkende Wiederherstellung des Anspruchs beim Nachholen der Mitwirkung ist nicht mehr vorgesehen. Der Vermittlungsvorrang soll wieder in Kraft treten und bei Arbeitsverweigerung sollen die Regelleistungen sofort zu 100 Prozent gestrichen werden, ungeachtet wie fragwürdig, ausbeuterisch oder entwürdigend die angebotene Beschäftigung auch sein mag. Parallel dazu, beginnen Kommunen Leistungsbezieher*innen unter 25 zur Zwangsarbeit zu verpflichten, teilweise werden sie vom Ordnungsamt aus ihren Wohnungen gezerrt.

Während in den Medien weiter gegen Aufstocker*innen und Bürgergeldempfänger*innen gehetzt wird, formiert sich das Cluster an Maßnahmen zum Sozialabbau zu einer klaren Drohgebärde an alle: Beugt euch, leistet um jeden Preis! Wer nicht mitspielt, verliert alles und wird leiden!

Seid ihr und eure Arbeitsleistung nicht verwertbar für den Staat und das Kapital, seid ihr nicht mehr zu gebrauchen.

Wir als Reclaim Gostenhof schauen nicht tatenlos zu, wie der Staat versucht, uns gefügig zu machen. Wir lassen niemanden allein mit Behördenwillkür, Sanktionen oder Schikanen.

Jeden Dienstag von 13–15 Uhr gibt es unsere Sozialberatung in der Schwarzen Katze in Gostenhof – Nicht als Dienstleistung, sondern als gelebte Solidarität auf Augenhöhe. Unsere Beratung ist mehr als Papierkram. Sie ist Widerstand im Alltag. Sie bedeutet, Wissen zu teilen, damit Menschen ihre Rechte kennen und sich wehren können. Denn jeder Antrag, jeder Widerspruch, jedes „Nein“ gegen Unrecht ist ein politischer Akt,eine Antwort auf Klassenkampf von oben und ist dadurch auch sinnvoller Bestandteil einer auf Solidarität und Widerständigkeit setzenden Stadtteilarbeit.

Wir wissen: Es kann jede*n treffen. Arbeitslosigkeit, Krankheit, Trennung, steigende Mieten – ein Leben in Unsicherheit ist kein individuelles Versagen, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen. Darum organisieren wir uns. Sozialberatung heißt für uns: füreinander einstehen, Missstände öffentlich machen und dazu ermutigen, gemeinsam Druck aufzubauen. Gegen Angst, gegen Entwürdigung, gegen soziale Kälte – für Würde, Rechte und Solidarität.