Antifa – Was soll das bringen? Und bringt das eigentlich was?
10. September 2024Antifaschismus heute zielt darauf ab, die Ausbreitung faschistischer Organisationen und Aktivitäten zu be- bzw. zu verhindern, Übergriffe von Nazis gegen Migrant*innen, gegen die Arbeiter*innenbewegung und andere fortschrittliche Bewegungen sollen verunmöglicht werden, eine gesellschaftliche Verankerung faschistischer Ideologie soll unterbunden werden und nicht zuletzt soll eine erneute Machtübertragung an die Nazis verhindert werden.
Antifaschistische Ansätze und Aktivitäten haben sich zu diesem Zweck verschiedenste Aufgaben gegeben und gesetzt.
Forschung, Geschichts- und Erinnerungsarbeit: Es soll die, bis heute nicht in all ihren Facetten untersuchte Geschichte und die Verbrechen der Naziherrschaft sowie des antifaschistischen Widerstands und die der Opfer weiter untersucht und erforscht werden. Es soll der Geschichte der Verfolgung der Arbeiter*innenbewegung auf den Grund gegangen werden, an die Opfer des Faschismus und an den antifaschistischen Widerstand erinnert werden. Durch die Vermittlung der Geschichte soll vor einer Wiederholung gewarnt, sollen Erfahrungen vermittelt und gesellschaftliche Lernprozesse, wie solche innerhalb der antifaschistischen Bewegung, ermöglicht werden. Außerdem nimmt die Erinerungsarbeit an die Opfer von Neonazismus und rechtem Terror einen wichtigen Stellenwert ein.
Antifa Recherche und Bildungsarbeit: Versucht, jenseits von Nazipropaganda und Selbstdarstellung, die eigentlichen Ziele der Nazis offen zu legen, dient dem Zweck, Nazikader, Funktionär*innen, die Täter*innen und ihre Hintermänner ins Licht der Öffentlichkeit zu ziehen. Strukturen werden offengelegt, Nazi-Kontakte zu bürgerlichen Parteien aufgedeckt. Außerdem geht es darum, hinter den Faschist*innen stehende (Kapital-) Interessen offen zu legen, ihre Finanzierung aufzudecken und die Finanziers zu veröffentlichen. Außerdem Nazi-Verbrechen aufzudecken, Nazis bei Polizei, in Behörden und öffentlichen Ämtern zu outen und vieles mehr.
Antifa Kulturarbeit: Steht in der antifaschistischen Tradition und soll diese Traditionen pflegen und fortführen. Soll heute eine aktuelle antifaschistische Kultur, auf der Höhe der Zeit, die aktuellen Anforderungen genügt und standhält, hervorbringen und leben.
Antifaschistische Propaganda, Veranstaltungen, Kundgebungen, Demonstrationen etc.: Sollen die antifaschistische Linke sicht- und ansprechbar machen, sollen zum Kommen und Mitmachen einladen, sollen antifaschistische Inhalte bekannt machen, für diese werben, in aktuellen Fragen Stellung beziehen. Wir wollen uns dadurch einmischen und natürlich den Nazis unsere eigene Präsenz entgegensetzen.
Sich den Nazis aktiv entgegenstellen: Durch direkten Protest und Widerstand soll den Nazis direkt und aktiv entgegengetreten werden, sollen faschistische Aktivitäten, Propaganda und Übergriffe be- oder verhindert werden. Es soll die öffentliche Bewegungsfreiheit für Nazis eingeschränkt werden und damit ihre Ausbreitung und gesellschaftliche Verankerung verhindert, oder zumindest eingeschränkt werden.
Und bringt der ganze Antifaschismus nun auch was?
Nehmen wir Nürnberg als Beispiel: Bis heute sind öffentliche Auftritte von Faschist*innen in unserer Stadt nicht zum Normalzustand geworden. Ob es sich um Wahlkampfauftritte, Aufmärsche, Propagandaaktionen handelt, nahezu immer stehen den beteiligten Nazis Antifaschist*innen gegenüber und konfrontieren diese mit vielfältigen Protest- und Widerstandsformen. Wahlkampfauftritte werden von Antifaschist*innen abgeschirmt, Kundgebungen belagert und immer wieder werden – nach größeren Antifa Mobilisierungen- Nazi-Aufmärsche durch unsere Stadtteile blockiert und verhindert. Bei antifaschistischem Alarm herrscht in Nürnberg Ausnahmezustand und es ist den Beteiligten, mit städtischer und staatlicher Genehmigung versehenen Nazis, nur gestützt auf diese und die Polizei möglich, ihr Treiben durchzuführen. Staat, Justiz, Stadt und Polizei unternehmen meist alles, um Naziaktivitäten gegen den Willen der Mehrheit in dieser Stadt durchzusetzen. So wurden Nazis immer wieder Sonder-U-Bahnen zur Verfügung gestellt, um sie zu ihren Aufmärschen und anderen Einsätzen zu kutschieren. Ganze Stadtteile wurden abgegittert, um deren Aufmärsche durchzusetzen, städtische Veranstaltungsorte werden der AFD und anderen Faschist*innen zur Verfügung gestellt, von Polizei – Sondereinheiten abgeschirmt, die einen reibungslosen Ablauf durchzusetzen versuchen. So im Mittelpunkt stehend, von Antifaschist*innen belagert, sind öffentliche Naziauftritte in unserer Stadt meist ein Reinfall. Bei schwacher Beteiligung bleiben die Nazis im Regelfall unter sich, auf den vorhandenen harten Kern reduziert und die antifaschistischen Aktivitäten beherrschen die Schlagzeilen. Den Nazis ist es also in Nürnberg nur eingeschränkt möglich, Propaganda zu verbreiten und die Einschüchterung von Teilen der Bevölkerung, wie sie anderswo möglich ist, zu betreiben. Übergriffe auf anders Aussehende, nicht ins Weltbild der Faschist*innen passende oder anders Denkende im Umfeld öffentlicher Naziaufmärsche fallen aufgrund antifaschistischer Präsenz nahezu immer aus.
Darüber hinaus gelang es Nürnberger Antifaschist*innen, unter massiver Anteilnahme und Präsenz autonomer Antifas und gewerkschaftlicher Antifa Initiativen, Naziläden wie „Tønsberg“ in Nürnberg und andere aus der Region zu vertreiben. Zahlreiche öffentliche Treffpunkte von Nazis wurden durch das Ausüben öffentlichen Drucks auf Vermieter*innen, Wirt*innen und andere Betreiber*innen zum Schließen gezwungen. Versuche, faschistischer Sozialbewegungen wie Pegida und Nügida in Nürnberg eine Massen-Basis zu schaffen, wurden durch massive Antifa- Mobilisierungen im Keim erstickt und scheiterten schließlich nach monatelangem antifaschistischen Widerstand. Auch der Versuch, eine eigene Tradition faschistischer Aufmärsche am 1. Mai, dem internationalen Kampftag der Arbeiter*innen, in unserer Stadt zu etablieren, scheiterte am massiven Widerstand der Teilnehmer*innen, der klar antifaschistisch ausgerichteten revolutionären 1. Mai-Demonstration.
Um es vorweg zu nehmen: eine faschistische Wahl-Partei wie die AfD konnte natürlich, trotz aller Aktivitäten, bis heute nicht zerstört werden. Bundesweite Wahlerfolge im Rücken, konnte die AfD, wie andere vor ihr auch, in Nürnberg Wahlerfolge erzielen. Es gelang jedoch von Anfang an ihre Rolle als faschistische Kraft offen zu legen, ihre Propagandamöglichkeiten im öffentlichen Raum einzuschränken, ihre Verantwortlichen offen zu legen und sie als Faschist*innen, die sie sind, zu outen und zu brandmarken, Wahlkampfauftritte, Parteitreffen etc. zu belagern. Durch all das konnte das Mitglieder- und Wählerpotential der AfD sicherlich eingeschränkt werden, Teile der stillen Mehrheit der Lohnarbeitenden antifaschistisch aktiviert und die Stadtgesellschaft polarisiert werden.
Nazi-Banden und Kleinstparteien wie Die Rechte, Der dritte Weg, NPD-Heimat etc. wurden jedoch durch antifaschistische Aktivitäten aus dem Straßenbild und der Öffentlichkeit fast vollständig vertrieben und fristen seit längerem in Nürnberg, wenn überhaupt nur noch ein Schattendasein. Was nicht heißt, dass sie zu kleinen Aktivitäten und vereinzelten Übergriffen nicht auch heute noch in der Lage wären.
Fortschrittliche Demonstrationen und andere Aktivitäten können heute jedoch durchgeführt werden, ohne dass noch wie vor einigen Jahren, faschistische Angriffe abgewehrt werden müssen. Eine Demonstration für Frauenrechte zum 8. März, die vor Jahren einen Angriff von Faschist*innen – unter den Augen der Polizei- am Nürnberger Hauptbahnhof selbst zurückschlagen musste und diese Aufgabe mit Bravour bestand, mag uns hier als Beispiel dienen.
In Nürnberg existiert durch all diese antifaschistischen Kämpfe, Aktivitäten und Erfolge ein gewisses Selbstvertrauen der Aktivist*innen. Dieses führt dazu, dass Kämpfe auch in anderen Bereichen durch dieses Selbstbewusstsein gestärkt, geführt und gemeinsame Interessen unserer Klasse durchgesetzt und Ziele erreicht werden können. So ist Antifa natürlich nur ein Aufgabenbereich, den revolutionäre Linke jedoch nicht vernachlässigen sollten. Es sind schließlich unsere Spielräume, die Spielräume der Arbeiter*innenbewegung und anderer fortschrittlicher Bewegungen, die es zu verteidigen, erhalten und auszubauen gilt. So ist Antifa zwar sicherlich nicht alles und natürlich auch nicht der Kampf um alles. Revolutionärer Antifaschismus enthält jedoch, wie wir ihn verstehen und betreiben, die Voraussetzungen für den Kampf um alles, für den Kampf um eine andere Welt und versucht uns diese immer wieder notwendigen Voraussetzungen zu erhalten und durchzusetzen.