Alle zusammen gegen den Faschismus?
05. Dezember 2025Warum im Kampf gegen den Faschismus der Staat und bürgerliche Parteien keine Verbündete sein können und die AfD nicht das einzige Problem ist.
Mit 26% zog im Oktober 2025 das erste Mal die AfD mit der CDU/CSU in Umfragen gleich und beide Parteien wären nun jeweils die stärkste Kraft bei einer Bundestagswahl. Düstere Zeiten in denen wir leben; Angst vor einer Machtübertragung an eine zunehmend faschistischer werdende Partei wie die AfD ist durchaus berechtigt – das zeigt allein ein Blick in die USA. Angesichts der Umfragehöhenflüge in Deutschland positionieren sich die bürgerlichen Parteien verstärkt gegenüber der AfD. Während Teile der CDU/CSU den Umgang mit der AfD „normalisieren“ wollen, treten andere Teile der Union offen gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD auf. Bundespräsident Steinmeier sieht in der AfD eine Gefahr für die Verfassung und ruft zu ihrer Bekämpfung mit rechtsstaatlichen Mitteln auf. Andere SPD-Politiker*innen bezeichnen die AfD als unpatriotisch, weil sie Kontakte zum russischen Regime hält. Ist das nun eine Wende im Kampf gegen die AfD, wenn sogar der Bundespräsident zur Attacke gegen die AfD bläst?
Wohl kaum. Denn die Politik der bürgerlichen Parteien gegenüber der AfD ist geprägt von einem Ping-Pong-Spiel, bei dem die bürgerlichen Parteien einen großen Anteil am Aufstieg der AfD haben.

Denn wenn man sich die Politik der letzten 10 Jahre ansieht, zeigt sich in vielen Bereichen, dass sich rechte Politik durchgesetzt hat, obwohl die AfD nirgendwo an einer Regierung beteiligt war. Am deutlichsten zeigt sich das in der Migrationspolitik, wo die AfD am lautesten den Stichwortgeber spielt. Die AfD macht von außen Druck für die eigene rassistische Politik, aber CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne sind verantwortlich für die kompletten Aushöhlung des Asylrechts, der Entrechtung von Geflüchteten und die tödliche Abschottung der EU im Mittelmeer. So forderte Ex-Kanzler Scholz schon zu Ampelzeiten „Abschiebungen im großen Stil“. Und dass auch Bundeskanzler Merz alle Register der rassistischen Spaltungsrhetorik auspacken kann, hat zuletzt die sogenannte „Stadtbilddebatte“ eindrucksvoll gezeigt.
Die rassistischen Debatten werden also auch munter von den bürgerlichen Parteien geführt, mit dem Ziel, Sündenböcke zu präsentieren für die immer desolatere Lage in Deutschland. Das Gesundheitssystem wurde kaputt gespart, Arbeitsrechte immer weiter angegriffen, Sozialleistungen werden immer weiter gekürzt, Bildung und Infrastruktur erodieren, Löhne stagnieren und die Inflation steigt. Diese Politik im Interesse der Konzerne und Banken sorgt für immer größere Unzufriedenheit, die durch mediale Kampagnen gegen Migrant*innen, Arbeitslose und andere Gruppen abgelenkt werden soll.
Aber auch der Staatsapparat selbst ist in den letzten Jahren immer weiter nach rechts gerückt. Auch hier haben alle Regierungen ihren Anteil gehabt. Bürgerrechte wurden massiv eingeschränkt durch neue Polizeigesetze, die Überwachung wurde ausgebaut, z.B. mit der Überwachungssoftware Palantir. Widerspruch zur Regierungspolitik wird immer mehr mit Zensur, Verboten und Polizeigewalt begegnet. Dies zeigt der staatliche Umgang mit Protest gegen Israels Völkermord in Gaza oder dem gewalttätigen Vorgehen gegen Antimilitarist*innen bei den Protesten von Rheinmetall entwaffnen. Hier schreckt die Polizei nicht vor Rechtsbrüchen zurück, wenn z.B. die Interessen von Rüstungskonzernen zur Debatte stehen.
Die AfD dient den herrschenden Parteien als eine Art Kontrastfolie, vor der jede noch so unsoziale, rassistische, militaristische Entscheidung der Regierung im Vergleich zur AfD noch nicht das Schlimmste ist. Bürgerliche Parteien versuchen weiterhin, Wahlen zugewinnen, indem sie argumentieren, die AfD zu verhindern. Die AfD wiederum, obwohl sie mindestens genauso wirtschaftsliberal, unsozial und kapitalfreundlich ist, wie die restlichen Parteien, kann sich zurücklehnen, vom Unmut profitieren und fängt so systemkonform die Unzufriedenheit mit dem kapitalistischen System auf. Die AfD ist also nicht das einzige Problem, sondern sie stellt vielmehr den Gradmesser dar, wie weit rechte Politik schon in der Gesellschaft akzeptiert ist.
Der ideologische Bankrott des bürgerlich-liberalen Antifaschismus zeigt sich dann zusammengefasst daran, dass der Bundespräsident aufruft, einen Rechtsstaat zu verteidigen, in dem es rechtens ist, dass Menschen immer weiter verarmen, in dem es legal ist, Waffen zu verkaufen, die in einem Völkermord eingesetzt werden und in dem es rechtmäßig ist, Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen. Ein weiteres Zeichen für diesen Bankrott ist, dass der vehementeste politische Vorwurf durch die bürgerlichen Parteien gegenüber der AfD nicht ist, dass sie rassistisch, unsozial oder frauenfeindlich ist. Nein, sie gefallen sich im Moment vor allem darin, der AfD mangelnden Patriotismus vorzuwerfen. Hintergrund ist, dass Teile der AfD sich in der Außenpolitik (noch) auf Russland fokussieren anstatt sich an EU, NATO und USA zu orientieren. Der Vorwurf besteht also darin, dass die AfD bei den Kriegsvorbereitungen der Bundesregierung (noch) nicht auf das richtige Feindbild gepolt ist.
Das alles zeigt, dass in Sachen Antifaschismus aktuell kein Bündnis mit den bürgerlichen Parteien in Frage kommt. Denn der Rechtsruck kommt nicht von Außen, sondern entsteht im bürgerlichen Staat und aus der parlamentarischen Demokratie. Eine antifaschistische Strategie, welche nicht den Rechtsruck der bürgerlichen Parteien, die reaktionären Maßnahmen und die Faschisierung des Staates mit in den Fokus nimmt, macht sich in letzter Konsequenz zum Gehilfen des Militarismus, des reaktionären Staatsumbaus und der kapitalfreundlichen Politik der Herrschenden. Im antifaschistischen Kampf ist eine antimilitaristische und antikapitalistische Position unabdingbar. Um erfolgreich zu sein im Kampf gegen die AfD und den Faschismus in Deutschland, müssen wir daher eine revolutionäre Perspektive aufmachen, die sich nicht damit begnügt, den kapitalistischen Status Quo der parlamentarischen Demokratie zu verteidigen. Wir müssen eine Perspektive eröffnen, die eine echte und hoffnungsvolle Alternative darstellt zum gegenwärtigem Zustand und dem faschistischen Projekt der AfD. Das heißt natürlich nicht, dass man sich bei Protesten gegen die AfD ins Abseits stellt, sondern es stellt Antifaschist*innen vor die Aufgabe, diese Position auch in diese Proteste einzubringen.

