Wie im Stadtteil gegen Krieg und seine Vorbereitung vorgehen? – Basis- & Stadtteilarbeit in der Praxis
05. Dezember 2025Diese Frage beschäftigt uns bereits seit längerem und jetzt – angesichts der „Zeitenwende“, der offensichtlichen Kriegsvorbereitungen, der Umgestaltung der Gesellschaft auf Krieg – gewinnt diese Frage zunehmend an Bedeutung. Und – Achtung Spoiler – eine finale Antwort darauf haben wir nicht.
Aber wir wollen einige Einblicke in unsere Überlegungen geben und laden alle herzlich dazu ein, gemeinsam darüber ins Gespräch zu kommen, was wir vor Ort tun können.
Zur Ausgangslage
Nur, um es allen in Erinnerung zu rufen: Boris Pistorius, Verteidigungs- bzw. Kriegsminister der BRD, lies verlauten: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein“ und führte damit konsequent die „Zeitenwende“ von Olaf Scholz fort. Was sich erst mal abstrakt anhört, bedeutet letztlich nichts anderes als: Die Gesellschaft wird auf Krieg getrimmt – und das in allen Bereichen.
Entwicklung des Militärhaushalts und Ausgaben für Verteidigung
- Februar 2022: Zeitenwende-Budget: 100 Mrd. €
- März 2025: 500 Mrd. € fürs Militär + weitere 500 Mrd. € für Infrastrukturprojekte (fürs Militär)
- Ab Spätestens 2029: 5 % des BIP für Militär
D.h. zwischen 175 und 200 Mrd. € jährlich => 40% des Bundeshaushalts
Kriegstüchtigkeit betrifft den Alltag im Stadtteil
Und daher ist die Frage des Krieges nicht nur abstrakt ein Thema im Stadtteil, sondern auch konkret. Ohne das Leid und Elend der bereits aktuellen und noch stattfindenden Kriege zu schmälern, wird die Frage der Kriegstüchtigkeit auch die Gesellschaft als Ganzes und auch den Stadtteil konkret betreffen. Sei es, dass
- zivile Produktion zu militärischer Produktion umgewandelt wird – was angesichts der Krise der herrschenden Verhältnisse für immer mehr Firmen zur validen Option wird
- der Gesundheitssektor auf die priorisierte Versorgung von bis zu 1000 verletzten Soldat*innen umgestellt wird, inkl. der Anbindung. Was bedeutet, dass gut gelegene Krankenhäuser gefördert werden und Krankenhäuser auf dem Land unter Kürzungen leiden werden
- die Infrastruktur – Straßen, Schienen, Gebäude, … – für die militärische Nutzung vorbereitet werden, während Schulen marode sind und auseinanderfallen.
- die Bildung durchmilitarisiert wird – einerseits mit der Vorbereitung auf Krieg inkl. Katastrophenübungen, aber auch durch Bundeswehrwerbung und Rekrutierungen direkt von der Schulbank weg.
- man überall – selbst beim Bäcker und beim Dönerladen – auf trendige Bundeswehrwerbung stößt, die einem Glauben machen möchte, dass das alles ein verbessertes Videospiel sei.
Als seien diese wenigen Beispiele noch nicht genug, wird das ganze finanziert mit tiefen sozialen Einschnitten, die uns alle konkret betreffen werden: Sozialleistungen werden gestrichen, kommunale Haushalte werden noch weiter zusammengekürzt und eigentlich wird bei allem, was keinen Gewinn abwirft, der militärischen Infrastruktur dient oder jemanden töten kann, der Rotstift angesetzt.
Damit einher geht die Angst vor einem Krieg, dem Unglauben, dass Aufrüstung wirklich „Sicherheit“ schaffe und die Angst davor – für den Krieg – den Gürtel enger schnallen zu müssen.
Krieg und Sozialabbau – zwei Seiten derselben Medaille
Wenn künftig 40 % des Bundeshaushalts in den Krieg fließen sollen, dann ist klar, wo das Geld fehlt: bei Mieten, Energie, Bürgergeld, Kultur, Jugendzentren, Pflegeheimen, Kitas, öffentlichem Nahverkehr.
Das ist kein Naturgesetz, keine „schwierige Abwägung“, sondern eine bewusste politische Entscheidung – eine Entscheidung für die Wirtschaft, für die eigene Machtposition im globalen Wettbewerb und eine klare Entscheidung gegen die Menschen.
Und diese trifft zuerst diejenigen, die ohnehin unter Druck stehen: Uns – die lohnabhängige Klasse.
Kurzum: Krieg betrifft uns ganz konkret. Doch wie ansetzen?
Wie wir im Stadtteil konkret ansetzen können
Wenn Krieg und seine Vorbereitung in allen Bereichen der Gesellschaft ankommen, dann muss auch unser Widerstand dort ansetzen, wo Menschen leben, arbeiten, ihre Kinder großziehen und ihre alltäglichen Probleme verhandeln: im Stadtteil.
Dabei geht es einerseits darum, die konkreten Auswirkungen zu benennen und sichtbar zu machen. Andererseits geht es aber auch darum, Zusammenhänge zu benennen und Räume zu schaffen, in denen Menschen miteinander sprechen und sich organisieren können.
Hier einige Überlegungen dazu:
1. Gegeninformation und Orientierung – verständlich, niedrigschwellig, alltagsnah
Gerade angesichts der Vielzahl an Informationen und der sich u.a. daraus ergebenden Komplexität, ist es wichtig, Gegeninformationen zu liefern, die Orientierung geben können. Das kann über Infotische passieren, über Plakate, Wandzeitungen, Briefkastenverteilungen aber auch über Diskussionsrunden und Veranstaltungen.
2. Resignation ernst nehmen – und durch Praxis durchbrechen
Viele Menschen fühlen sich machtlos gegenüber den großen politischen Entwicklungen.
Diese Resignation ist verständlich – aber sie ist auch Teil der Kriegspolitik: Wer sich ohnmächtig fühlt, stellt keine Fragen mehr.
Daher gilt es, Räume zu schaffen, in denen Menschen wieder handlungsfähig werden können.
Durch regelmäßige Präsenz im Stadtteil. Durch Gespräche, die ernst nehmen, was Menschen beschäftigt.
Durch verständliche, offene Angebote, bei denen man einfach vorbeikommen kann – ohne Vorwissen, ohne Hürden.
3. Profiteur*innen und Strukturen vor Ort sichtbar machen
Es gilt die Abstraktheit der Kriegspolitik zu durchbrechen und konkret zu benennen, wer davon profitiert und wer nicht. Es gibt Firmen und staatliche Stellen, die Aufrüstung forcieren und von ihr profitieren.
Diese gilt es sichtbar zu machen und deren Interessen öffentlich zu markieren.
4. Militarisierung im Alltag aufdecken
Kriegstüchtigkeit wird nicht nur durch Panzer hergestellt, sondern durch alltägliche Normalisierung: Bundeswehrwerbung, Schulkooperationen, „Katastrophenübungen“, die plötzlich militärisch aufgeladen werden. Dagegen gilt es vorzugehen und aufzeigen, dass Töten und Sterben alles andere als normal ist. D.h. Werbung markieren, aber auch antimilitaristische Anlaufpunkte zu schaffen.
5. Krieg und soziale Frage verbinden
Die gemeinsame Betroffenheit sichtbar machen – und deutlich machen, dass Kriegspolitik eine Entscheidung gegen das Leben vieler Menschen und die soziale Sicherheit ist.
Das alles sind erste Ansatzpunkte, wie wir im Stadtteil gegen Kriegstüchtigkeit aktiv werden können. Keine fertigen Antworten, aber Schritte, die Orientierung geben und Handlungsspielräume eröffnen. Wenn Militarisierung im Alltag beginnt, muss auch der Widerspruch dort beginnen.


